Die Werkstatt macht Fehler und redet sich heraus? Was jetzt?
Eine Werkstatt baute die Bremsen fehlerhaft ein und der TÜV verweigerte die Abnahme. Hat es einen Sinn, rechtlich gegen die Werkstatt vorzugehen? Wie sind die realen Erfolgschancen? Was muss ich dokumentieren, damit die Werkstatt nicht behaupten kann, sie hätte diesen Fehler nicht begangen?
Kurzantwort vorweg: Ja — es kann Sinn machen, rechtlich gegen die Werkstatt vorzugehen, wenn die Bremsen tatsächlich fehlerhaft eingebaut wurden und der TÜV deshalb die Abnahme verweigert hat. Die Erfolgsaussichten hängen aber stark von der Beweislage ab. Entscheidend ist, dass du nachweisen kannst, dass die Werkstatt schuldhaft unsauber gearbeitet hat (und nicht z. B. ein Fremdverschulden oder ein ursprünglicher Mangel vorlag). Unten erkläre ich dir, wie die Chancen realistisch einzuschätzen sind und welche konkreten Schritte und Dokumente du sammeln musst, damit die Werkstatt ihre Verantwortung nicht bestreiten kann.
1) Warum der TÜV-„Ausschluss“ ein starkes Indiz ist
Wenn der TÜV die Abnahme verweigert, hat er in der Regel konkrete technische Mängel festgestellt (z. B. Bremswirkung ungleichmäßig, Leitungen falsch verlegt, Luft im System, undichte Verbindungen, falsche Bauteile, fehlende Befestigungen, unzureichender Festsitz). Das TÜV-Prüfprotokoll ist deshalb ein sehr wichtiges Beweisstück — es dokumentiert Ursache, Ort und Auswirkung des Mangels. In vielen Fällen erhöht ein eindeutiges Prüfprotokoll deine Erfolgschancen deutlich.
2) Rechtliche Grundlagen (kurz und praxisnah)
- Du hattest mit der Werkstatt einen Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB).
- Erbringt die Werkstatt die Leistung mangelhaft, stehen dir Gewährleistungsansprüche zu: Nacherfüllung (Nachbesserung), evtl. Ersatzvornahme, Minderung oder Rücktritt sowie Schadensersatz, wenn die Werkstatt fahrlässig gehandelt hat (§§ 634, 636 BGB, Schadensersatzregeln).
- Wichtig: Vor jeder Kündigung/des Rücktritts muss in der Regel eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt werden — außer die Nacherfüllung ist unzumutbar.
3) Realistische Erfolgschancen — worauf es ankommt
- Sehr gut, wenn das TÜV-Protokoll klare, technische Mängel benennt, die typisch auf fehlerhafte Montage hindeuten (z. B. Schrauben nicht angezogen, Bremsleitung abgeknickt, falsche Bauteile verbaut, offenes System mit Luft).
- Mäßig bis gering, wenn es nur ein „Papierproblem“ ist (fehlende Dokumente, Eintragungen) oder wenn die Werkstatt plausibel darlegen kann, dass der Mangel bereits vor ihrem Eingriff bestand oder von Dritten verursacht wurde.
- Die Beweislage ist also alles: Je mehr objektive, unabhängige Feststellungen (TÜV-Protokoll, Gutachten) und je mehr du dokumentierst, desto höher die Erfolgschancen.
4) Was du sofort und systematisch dokumentieren musst
Das Ziel: eine lückenlose Aktenlage, die objektiv belegt, dass die Werkstatt fehlerhaft gearbeitet hat.
- TÜV-Prüfbericht / Ablehnungsprotokoll
- Sofort eine Kopie anfordern bzw. bekommen. Essenziell: Mängelbeschreibung, Messwerte, Prüfername, Datum.
- Auftragsunterlagen der Werkstatt
- Auftragsschein, Leistungsbeschreibung, Rechnung, Teileliste, Evtl. Arbeitszeitnachweis, ggf. Stempel/Unterschrift.
- Notiere Datum/ Uhrzeit Übergabe und Abholung.
- Fotos & Video
- Sofort vor Ort viele Fotos vom Fahrzeug (Bremsen, Leitungen, Befestigungen, Bauteile, Boden darunter) und vom Prüfprotokoll.
- Video der Bremsprobe, Bremsflüssigkeitsstand, Bremspedal-Weg, Bremsen beim Rollen, evtl. Bremsentest (nur wenn gefahrlos möglich).
- Originalteile sichern
- Wenn möglich, fordere die gebrauchten/ausgebauten Teile zurück (Beläge, Leitungen, Scheiben). Sie können als Beweis dienen.
- Zeugen benennen
- Gibt es Zeugen (z. B. Mitarbeiter der Werkstatt, Begleiter), notiere Namen, Kontaktdaten.
- Kommunikation schriftlich
- Alles schriftlich dokumentieren: Mails, SMS, WhatsApp, Notizen zu Telefonaten (Datum, Gesprächspartner, Inhalt). Forderungen an die Werkstatt immer schriftlich (E-Mail oder Einschreiben).
- Sachverständigengutachten
- Sehr wichtig: Ein unabhängiges Gutachten (z. B. DEKRA, TÜV/GTÜ Gutachten) klärt, ob Montagefehler vorliegen und ob diese die TÜV-Ablehnung verursacht haben. Kosten: typ. mehrere hundert Euro (300–900 €). Dieses Gutachten ist oft der „Gamechanger“ vor Gericht.
5) Praktisches Vorgehen — Schritt für Schritt
- Sofort handeln
- Privates Foto-/Video-Material anlegen; TÜV-Bericht sichern.
- Werkstatt schriftlich zur Nachbesserung auffordern
- Mit Frist (z. B. 7–14 Tage) zur Beseitigung der Mängel. Fordere die Werkstatt auf, die Sache auf eigene Kosten zu beheben.
- Wenn die Werkstatt ablehnt oder nicht reagiert
- Beauftrage unabhängigen Sachverständigen zur Begutachtung (sofort Termin vereinbaren).
- Lege Gutachten der Werkstatt vor und fordere schriftlich Nacherfüllung oder Erstattung.
- Vor dem Anwalt
- Kontaktiere Verbraucherzentrale oder eine Beratungsstelle, ggf. einen spezialisierten Anwalt für Vertrags-/Werkvertragsrecht, wenn die Werkstatt streitet. Bei Beträgen bis ~5.000 € lohnt sich oft das Mahnverfahren oder Klage beim Amtsgericht (geringere Kosten). Falls du Rechtsschutz hast, Anwalt einschalten.
- Ersatzvornahme
- Wenn die Werkstatt nicht nachbessert, kannst du nötige Reparaturen ausführen lassen und die Kosten von der Werkstatt verlangen (aber zuvor Frist setzen und Kostenanschlag vorlegen).
- Beweissicherung / Teile aufbewahren
- Alle ausgebauten Teile und Rechnungen aufbewahren; ggf. Nachweis der Transport-/Lagerkosten.
6) Kosten & Aufwand vs. Nutzen
- Gutachten kostet; Anwalt ebenfalls. Rechne mit einigen hundert bis tausend Euro, abhängig vom Streitwert.
- Gute: Wenn das Gutachten klar Montagefehler nachweist, stellen sich Werkstatt meist kooperativ – viele Fälle lassen sich so außergerichtlich regeln.
- Schlecht: Wenn Beweis unscharf ist, wird es teuer und unsicher. Deshalb lohnt sich die sachverständige Stellungnahme vor weiterem juristischem Einsatz.
7) Formulierungs-Vorlage für die schriftliche Fristsetzung an die Werkstatt
(als PDF/Brief verwendbar)
Sehr geehrte Damen und Herren,
am [Datum] ließ ich bei Ihnen die Bremsanlage an meinem Fahrzeug (Fz-Kennz.: ___, VIN ___) instand setzen. Bei der anschließenden TÜV-Abnahme am [Datum] wurde die Abnahme verweigert; das Prüfprotokoll weist folgende Mängel aus: [kurze Aufzählung]. Ich fordere Sie hiermit auf, die Mängel kostenfrei zu beheben und das Fahrzeug erneut vorzuführen / abzunehmen. Bitte bestätigen Sie mir bis spätestens [Frist, z. B. 14 Tage ab Briefdatum] schriftlich, dass Sie die Nachbesserung durchführen. Sollte bis dahin keine zufriedenstellende Rückmeldung erfolgen, sehe ich mich gezwungen, ein unabhängiges Gutachten in Auftrag zu geben und ggf. rechtliche Schritte einzuleiten. Mit freundlichen Grüßen, [Name, Adresse, Tel]
Fazit
Es kann sehr wohl sinnvoll und aussichtsreich sein, juristisch gegen die Werkstatt vorzugehen — besonders wenn der TÜV klare, sicherheitsrelevante Mängel protokolliert hat. Die realen Erfolgschancen sind gut, wenn du frühzeitig und systematisch dokumentierst (TÜV-Protokoll, Fotos, Teile, Schriftverkehr) und ein unabhängiges Sachverständigengutachten beibringst. Ohne Gutachten wird’s schwieriger.